Das  Joco Dev Sextett    1967-1980
Leben zwischen Arbeit und Rock'n Roll

Natürlich hatten wir unseren Spaß beim Muggen und zerlegten so manches Hotelzimmer, so das wir unter den Namen Joco Dev in gewissen Teilen der DDR, kein Hotelzimmer mehr bekommen haben. Wir nannten uns dann Reisegruppe Atlantis. Das war bestimmt kein Ruhmesblatt von uns, aber das scheint ein Phänomen der Rockgruppen in Ost wie West zu sein. Wahrscheinlich ist man am Abend so aufgekratzt oder aufgeputscht von der Lautstärke, Alkohol und Cola, das es eben zu solchen Exzessen kommt. 

Als wir in der Nähe von Zwickau, in einem Gasthof Übernachtung gefunden hatten, erzählte uns der Besitzer, dass vergangene Woche die Gruppe Electra hier übernachtet hatte. So etwas hatten er noch nicht erlebt, wie die Schweine haben sie hier gehaust, die Zimmer verwüstet, Möbel aus den Fenstern geworfen usw. Daraufhin sagten wir, nein so etwas machen wir nicht. War auch ehrlich gemeint von uns, ehrlich. Der Besitzer zeigte uns die Zimmer, alles frisch geweißt, Flur auch. Auf dem Flur nach oben hatten wir gesehen, dass auf den Fensterbänken Kürbisse getrocknet wurden und wie das so am Abend war, kam irgend einer von uns auf die Idee ein paar Stücke zu holen, vermutlich wollte er sie mal kosten ?
 Na jedenfalls schmiss er die Kürbis-Stücke nach uns und im nu war die schönste Kürbis-Schlacht im Gange. Nun kann man sich ja vorstellen, wie die frisch geweißten Wände aussahen und das Zeug war Farbecht.
Gegen Morgen um 7 Uhr wurden wir unsanft geweckt vom Besitzer, der brüllte, welches Schwein hat hier im Flur gepin... Wahrscheinlich hatte er die Kürbis-Spuren und die anderen Verwüstungen noch gar nicht bemerkt. Wer es war, ist nicht zu ermitteln gewesen. Manche kennen einfach keine Grenzen.
Jedenfalls mussten wir sofort die Zimmer verlassen, so müde wie wir waren. Kapellenleiter musste alles wieder richten und zahlte eine Wiedergutmachung.
Wir waren also auch nicht besser als Electra gewesen.
So könnte man noch viele Geschichten erzählen. Wenn man heute so darüber nachdenkt, wie leichtsinnig man doch im jugendlichen Alter war und was für ein Blödsinn wir angestellt haben.

Als wir in Meißen nachts im Hotel ankamen, wir hatten die Mansardenzimmer bekommen, flogen erstmal die Lampenschalen in den Treppenschacht. Das schepperte natürlich mächtig. Außer dem Nachtportier war ja keiner mehr wach. Dann wurden die Zimmer umgeräumt und als nächstes kamen wir auf die Idee den Techniker zu erschrecken. Einer musste immer das Opfer sein. Dazu kletterten Gerdi, Frank und ich, nachts angetrunken wie wir waren, aus dem Mansardenfenster entlang auf dem Dach, um beim Fenster vom Techniker einzusteigen. Der schlief schon, aber der Plan ging schief. Wir bekamen das Fenster nicht auf und machten einen Höllen Lärm am Fenster. Der ließ sich aber nicht beeindrucken und machte das Fenster nicht auf. Der wußte schon warum. Also waren wir gezwungen wieder umzukehren und das alles in Schwindelnder Höhe und Dunkelheit.
Als wir dann am nächsten Morgen von unten sahen, wo wir in der Nacht rumgeturnt haben, ist uns ganz schlecht geworden. Dann stellte sich auch noch raus, dass Frank Gursch nachtblind ist und er überhaupt nichts sah im dunkeln. Da hatten wir doch einen Schutzengel gehabt. Natürlich hatte sich dieses Hotel für uns dann auch erledigt.

Oder wo wir in Mühlsen waren. Wir schliefen in Zimmer die uns der Wirt nur für uns zur Verfügung stellte. Ich und der Gitarrist Gerd Gallinard, er war als Aushilfe für Gedi Wagner eingesprungen, waren schon aufs Zimmer gegangen. Die anderen feierten noch in der Bar. 
Wir unterhielten uns noch. Da kam unserer Kraftfahrer rein und plötzlich kam es zum Streit zwischen Gallinard und ihm. Sie wollten wohl um Geld pokern. Ich hielt mich daraus und plötzlich kamen sie sich ins prügeln. Na, so etwas kannte ich ja nun überhaupt nicht. Wir haben ja schon eine Menge Blödsinn gemacht. Das aber war zu viel für mich. Ich ging dazwischen, um die Streithähne auseinander zu bringen und bekam, wie das so üblich ist, selber etwas ab. Wußte aber nicht von wem und teilte dann ebenfalls aus.
Plötzlich war der Kraftfahrer verschwunden. Wir hörten nur noch einen Motor aufheulen und weg war er mitten in der Nacht mit seinem Barkas in Richtung Autobahn; samt den Fans aus Berlin, die im Barkas übernachtet hatten. Ein paar Mädels waren auch dabei.
So nun standen wir nächsten Tag da und hatten kein Fahrzeug zur nächsten Mugge. Aber die Fans aus Sachsen waren schon immer die besten Kumpels und hatten uns nicht im Stich gelassen. Sie halfen uns mit einem Fahrzeug aus. Es war schwierig gewesen am Wochenende ein Transporter zu bekommen. Weil die Kraftfahrer, die in VEB Betrieben arbeiteten, die Fahrzeuge abends im Betrieb wieder abstellen mussten. Es hatte sich dann aber einer bereit erklärt, uns zu helfen und ging das Risiko ein uns schwarz zu fahren.
Wer hatte schon zu der Zeit ein Transportfahrzeug, nur Selbständige oder Kinderreiche Familien bekamen einen Kombi (Barkas Transporter). Unser Kraftfahrer hatte einen Gemüseladen. Um noch etwas zu erleben, hatte er sich bereit erklärt uns zu fahren. Das hatte sich wegen der Prügelei mit ihm dann auch erledigt.

Einmal sollten wir für Honecker im Sportforum Weißensee spielen, der dort die Auszeichnung der Sportler vornehmen wollte. Wir lehnten aber ab. Erstens hatten wir kein richtiges Repertoire und zweitens kamen uns bedenken wegen unserer großen Lautstärke.
Sollten wir "Deep Purple" und "Jethro Tull" dort spielen ? Den Jugendlichen hätte es gefallen, aber Parteifunktionäre und FDJler bestimmt nicht. Um den Ärger zu umgehen haben wir abgelehnt. " Express Berlin " ist eingesprungen. War auch mehr eine Tanzmusik Band. Es war immer schon schwierig  gewesen, den Weg zwischen tanzbarer Musik und neueste Rockmusik, die im Westen gerade auf den Markt gekommen war, zu finden. Man hatte es uns sehr übelgenommen bei der FDJ, dass wir abgelehnt haben.
Auftritte bekamen wir von ihnen nicht mehr. Wegen der Zollaffäre war die Zusammenarbeit  sowieso gestört. 

Mit 6 Mann im Wolga und mit Hänger so zogen wir durch die Lande, später im Barkas Bus. Wir saßen auf den Boxen, ob das gut gewesen wäre bei einen Unfall ? Die Veranstalter konnten nicht viel Transportkosten bezahlen. Ich glaube es waren pro km nur 0,27 Pfennig. Das hat kaum gereicht. Wir kamen nur zu recht, wenn wir am Wochenende gleich 3 Veranstaltungen abgerechnet haben, z.B. Karl Marx Stadt, Zwickau, Mühlsen. Natürlich haben wir bei jeden Veranstalter Transportkosten von Berlin abgerechnet. Das haben eigentlich alle Bands gemacht.
Auch wenn wir nicht gerade die Gewinner waren in der Berliner Rockszene, so hatten wir doch immer unseren Spaß gehabt und haben uns nicht alles gefallen lassen oder haben unsere Fahne nach dem Wind gedreht. Wir waren immer in Opposition. Uns ging es ähnlich wie dem " Diana Show Quartett " 1965.
Auf keinen Fall möchte ich die Zeit von damals vermissen. Trotz aller widrigen Umstände und Unannehmlichkeiten. Viele Musiker stellten Ausreiseanträge weil es einfach nicht mehr weiterging. Die Bands die es an die Spitze geschafft hatten, haben viel von uns „ gelernt ”. 
Es sei besser sich nicht mit der Obrigkeit anzulegen, denn jede Band wollte mal im Palast oder im Westen aufzutreten.

Als Detlef Lüpke seine Tanten im Westen besuchen konnte, traf er bei einen Konzert von
 " Tina Turner "  einige Musiker wieder, die ausgereist waren z.B. R. H. Der für mich 1979 eingestiegen war; Arbeitslos, kein Geld, keine Muggen. Der beschimpfte Detlef und rief laut " He Lüpke bist wohl von der Stasi, dass du hier im Westen bist ". Alles drehte sich natürlich um. (Zitat D. Lübke)
Das waren so die netten Kollegen aus dem ehemaligen Osten !!!

Der ständige Mitgliederwechsel lähmte uns und es gab kein Vorwärts-Kommen. Die Musiker musikalisch neu einzuarbeiten, blieb an mir hängen. Ich war ausgelaugt und verließ aus Gesundheitsgründen die Band 1979. Detlef machte noch 1 Jahre weiter und beendete Joco Dev 1980. 
Die ganze Geschichte um uns ist nie so richtig bekannt geworden. Jetzt habe ich sie ins Internet gestellt. " Das Zollvergehen " blieb an uns bis heute hängen. Auch heute noch werden wir, " Das Urgestein vom DDR Rock " (Wie es einer unserer Fans einmal so schön formulierte in einer E-Mail, die er an mich schrieb.); vergessen, ignoriert, geschweige denn mal erwähnt !!! Erst in der Sendereihe " Pop 2000 " (Entwicklung der Rock und Pop Musik in Ost und West), wurden wir nur mal, ganz kurz erwähnt. 
Übrigens, diese Serie überging sowieso die Jahre 1971 bis 1975 vom Ostrock, also die kreativste Zeit in der DDR überhaupt, durch weglassen (weglassen/verschweigen ist juristisch nun mal Lüge). Denn da war zu "erfahren": Im Westen der grosse Lindenberg, im Osten nur Gruppe Kreis mit Pipeline-Lied, Honecker und Weltfestspiele.

In der von „ Gibson ” gesponserten Ausstellung " Stromgitarren ", war ein halbes Jahr in Mannheim und ein halbes Jahr im Berliner Technikmuseum, in einer Halbstunden-Schleife parallel zum Beat-Club mit Jimmy Hendrix, die „ NOTENBANK ” u.a. mit dem Stapellauf zu sehen.


 Wie schrieb ich im Text unten, als ich das Cover-Bild der eigenen CD entwarf, in welcher ich alle Titel vom Joco Dev Sextett zusammen getragen habe:
 
   Gedanken zum Cover-Bild

Voller Euphorie produzierten wir vor fast 40 Jahren
den Musiktitel Stapellauf.
Jetzt im digitalen Überfluss, die Neuaufarbeitung.
Die Zeit vergeht wie im Fluge.
Vom Winde verweht ist Joco Dev.
Der Name nur noch Schall und Rauch.
Die Gesichter kamen und gingen
Im Buch der Erkenntnis, dass wir aufgeschlagen haben,
konnten wir nicht lesen.
Die eigene Identität nicht finden.
Das Geld floss nicht, um der eigenen Enge zu entfliehen
Die Instrumente sind verstummt.
Trotzdem geben wir die Hoffnung nicht auf.
Die Brille lässt uns nach all den Jahren schärfer sehen.
Die Zeit fließt dahin.

 (Dank noch an Norbert, der mir mit Titeln aushalf)
 
 " Norbert Schmidt " gründete die " FORMEL-EINS-COMBO ". 
 Detlef und Jörg machten als  " Duo Gag "  weiter.
Es war eine musikalische Reise durch Lateinamerika, mit herrlichen Dias im Hintergrund auf einer Leinwand. Mit Computer, Synthesizer, Gitarre, Flöte und lateinamerikanischen Rhythmen.
Es war, wie der Name schon sagte, ein Gag. Wir verstanden uns als kleiner Stachel, weil damals fast keiner ins westliche Ausland reisen durfte. Bis die Mauer 1989 fiel. Dann war endgültig Schluss mit der Reise durch Lateinamerika. Jetzt konnte sie jeder selber machen. 
Ich könnte noch viele weitere kleine Geschichten erzählen ( Anekdoten sind etwas zu hoch gegriffen). Aber wen interessiert das heute noch.
 

Jörg Schenkel



http://www.jocodev.de/archiv/diana/Diana%20Show/index.htmlhttp://www.jocodev.de/archiv/diana/Diana%20Show/index.htmlhttp://www.jocodev.de/http://www.pandea-music.de/norbertschmidt.htmlhttp://www.der-edelrocker.de/8.htmlhttp://www.jocodev.de/archiv/gag/index.htmlshapeimage_2_link_0shapeimage_2_link_1shapeimage_2_link_2shapeimage_2_link_3shapeimage_2_link_4shapeimage_2_link_5